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Quelle: Autozueri
Manuela Talenta
Von der Erfolgsspur aufs Abstellgleis?
Der steile Aufstieg der Elektromobilität gerät ins Stocken. Steuererhöhungen, CO2-Verschärfungen und Kaufzurückhaltung bremsten den Markt letztes Jahr. Doch Abgesänge wären verfrüht – die Weichen für weiteres Wachstum sind nämlich schon gestellt.
Ist bei der Elektromobilität der Wurm drin? Die Zahlen scheinen eine deutliche Sprache zu sprechen: Laut Statistik von auto-schweiz, der Vereinigung der Autoimporteure, ging die Nachfrage nach ausschliess-lich elektrisch angetriebenen Autos und Plug-in-Hybriden letztes Jahr zurück, und zwar um 12,5 beziehungsweise 10,4 Prozent. Der Marktanteil der sogenannten «Steckerautos» stagnierte per Ende 2024 bei 28 Prozent. Die stockende Entwicklung zeigt sich nicht nur im vergleichsweise kleinen Automarkt Schweiz, sondern auch bei den Grossen: So wurden in Deutschland letztes Jahr rund 27 Prozent weniger Stromer verkauft als im Rekordjahr 2023. Auch in Frankreich schrumpften die Verkäufe um rund drei Prozent. In Grossbritannien legten die Verkäufe zwar zu, aber mit 19,6 Prozent wurde der angepeilte Marktanteil von mindestens 22 Prozent verfehlt.
Nur eine Plafonierung
Was ist los? Ist der Boom der vergangenen Jahre vorbei und der Stromer ohne Zukunft? Roger Kunz gibt Entwarnung. Der Präsident des Verbands Freier Autohandel Schweiz (VFAS) sowie Verwaltungsratspräsident von Auto Kunz in Wohlen (AG) sagt: «Ich würde die Verkaufszahlen von E-Autos nicht als rückläufig bezeichnen. Es handelt sich vielmehr um eine vorübergehende Plafonierung, die man aber nicht überbewerten sollte.» Auch Krispin Romang mag das Wort «rückläufig» nicht in den Mund nehmen. Der Direktor des Verbands Swiss eMobility sagt: «Ich bin erstaunt, dass überall in den Medien davon geschrieben wird. Der Marktanteil von Steckerfahrzeugen stagnierte letztes Jahr lediglich. Aber das ist keine Überraschung.»
Keine Steuerbefreiung mehr
Tatsächlich haben sich letztes Jahr nämlich einige Rahmenbedingungen geändert. So hob der Bundesrat per 1. Januar 2024 zum Beispiel die Steuerbefreiung auf Elektrofahrzeugen auf. Autohändlerinnen und Autohändler müssen seither 4 Prozent auf importierte Elektroautos für den Personen- oder Warentransport bezahlen, denselben Satz wie für Verbrennerfahrzeuge. «Bei einer Weiterführung der Steuerbefreiung hätten sich die kumulierten Steuerausfälle für die Jahre 2024 bis 2030 auf geschätzte zwei bis drei Milliarden Franken belaufen», begründete der Bundesrat diesen Beschluss. Roger Kunz: «Unser Verband warnte vor der Wiedereinführung der Importsteuer auf einem Markt, der gerade dabei ist, sich zu etablieren.»
Strafzahlungen für CO2-Ausstoss
Eine weitere Änderung betrifft das CO2-Gesetz, dessen Ziel es ist, den Treibhausgas-Ausstoss bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren. Auch Autoimporteure müssen ihren Beitrag leisten. Ihre Fahrzeugflotte darf einen bestimmten Zielwert von ausgestossenem CO2 pro Kilometer nicht überschreiten. Dieser Zielwert wird alle fünf Jahre gesenkt. Bei Nichteinhaltung wird eine Sanktion fällig. 2023 erreichte die Branche den Zielwert, der für 2020 bis 2024 galt. Seit dem 1. Januar gelten wiederum tiefere Zielwerte. Aus diesem Grund wollten Importeure letztes Jahr noch möglichst viele Verbrenner verkaufen. Diese «Zielwerte-Medaille» hat aber auch noch eine andere Seite, wie Roger Kunz erläutert: «Verbrenner werden in Zukunft tendenziell verteuert. Switchen Autohersteller also nicht auf Steckerfahrzeuge um, führt dies zu Strafzahlungen, die wirtschaftlich nicht vertretbar sind.» Ausserdem hat die EU bekanntlich beschlossen, dass ab 2035 nur noch PKWs zugelassen werden dürfen, die kein CO2 ausstossen. «Politisch sind die Würfel gefallen», so Roger Kunz.
Wasserstoff und E-Fuels als Ergänzung?
Da hat der Autohändler sicher recht. Trotzdem gibt es noch weitere Antriebsarten. Vor allem Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) werden als mögliche Alternativen zum Steckerfahrzeug ins Feld geführt. Doch sowohl Roger Kunz als auch Krispin Romang sehen darin keine ernsthafte Konkurrenz zur Elektromobilität. Krispin Romang: «Die Aussicht, dass wir je Wasserstoffautos fahren, tendiert gegen null. Die Herstellung ist teuer, die Autos verbrauchen zu viel Energie und sind daher ökologisch schlechter als Elektroautos. Zudem müsste ein zusätzliches flächendeckendes Versorgungsnetz aufgebaut werden. E-Fuels wird es nur für einige wenige Fahrzeuge geben, zum Beispiel für den Porsche 911.» In der Statistik zum Strassenfahrzeugbestand des Bundesamts für Statistik lag der Anteil von Alternativen wie diesen am Gesamtbestand letztes Jahr bei 0,3 Prozent oder rund 14 000 Fahrzeugen. Roger Kunz lässt trotzdem ein Türchen offen – wenn auch nur einen Spalt. «Die Technologie für E-Autos war der erste alternative Antrieb zum Verbrenner und ist daher am weitesten fortgeschritten. Aber wer weiss: Vielleicht sind Wasserstoff und E-Fuels in 15 Jahren marktreif. Heute und morgen werden wir jedoch primär den Elektroantrieb sehen.»
Auf lange Sicht günstiger
Bis dahin bleibt die Frage, ob die aktuelle Stagnation tatsächlich nur als eine vorübergehende Delle in die Geschichte eingeht. Das hängt natürlich entscheidend von den Verbraucherinnen und Verbrauchern ab – und die haben offenbar nach wie vor Bedenken. Laut einer Umfrage von Sotomo im Auftrag der Axa-Versicherung vom letzten Herbst wollen nur 23 Prozent der Befragten dieses Jahr ein E-Auto kaufen. 2023 waren es noch 34 Prozent gewesen. Zu den Hauptgründen gehörte der Kaufpreis. Roger Kunz: «In den letzten Jahren gab es vor allem im Luxussegment E-Auto-Käufe, weil das Angebot im klein- und mittelpreisigen Bereich eher bescheiden war.» Das ändert sich aktuell gerade: In diesem Jahr kommen einige Modelle für weniger als 25 000 Franken auf den Markt. Der Autohändler hat auch gleich ein Beispiel zur Hand: Der in China hergestellte JAC J-Es1 sei bereits für 16 989 Franken zu haben und ideal für den lokalen Gebrauch, die Stadt oder die Fahrt zur Arbeit. «Zudem ist ein E-Auto langfristig wirtschaftlicher, weil geringere Unterhalts- und Energiekosten anfallen; Strom ist günstiger als Benzin und Diesel», so der Präsident des VFAS weiter.
Ein Recht auf Laden?
Ebenfalls ganz weit oben auf der Liste der Bedenken steht die Ladeinfrastruktur – vor allem in privaten Mietliegenschaften. Hier gibt es laut Krispin Romang noch erhebliches Verbesserungspotential. «Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in Europa gibt es in der Schweiz zum Beispiel keine öffentliche Förderung für private Ladeinfrastrukturen», sagt er. Dabei sei es gerade in einem Land der Mieter wichtig, dass diesen keine Steine in den Weg gelegt würden. «Aktuell erhalten aber viele von ihren Vermieterinnen und Vermietern keine Erlaubnis, eine Ladestation zu installieren.» Das könnte sich schon bald ändern. Demnächst soll nämlich im Ständerat die Motion «Laden von Elektroautos im Mietverhältnis und Stockwerkeigentum» beraten werden. Sie wurde 2023 von GLP-Nationalrat und Swiss-eMobility-Präsident Jürg Grossen eingereicht und fordert eine Unverbietbarkeit von privaten Ladestationen. Krispin Romang erläutert: «Es geht nicht um eine Verpflichtung von Liegenschaftsbesitzerinnen und -besitzern, Ladeinfrastrukturen bereitzustellen. Aber sie sollen ihren Mieterinnen und Mietern die Installation nicht mehr verbieten dürfen, wenn die Verhältnismässigkeit gegeben und die Finanzierung sichergestellt ist.» Roger Kunz unterstützt das Anliegen. Er sagt: «Ein Recht auf Laden würde das Ziel des Bundesrats, CO2-neutral zu werden, massiv unterstützen. Denn wer zuhause laden kann, ist viel eher geneigt, sich ein Steckerfahrzeug anzuschaffen.»
Langsames Wachstum als Vorteil
Doch was ist mit dem Stromnetz? Immerhin beläuft sich der Fahrzeugbestand in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik aktuell auf rund 6,5 Millionen. Rund drei Viertel davon, also etwa 4,8 Millionen, sind Personenwagen. «Die meisten sind nach wie vor Verbrenner», so Roger Kunz. «Würden sie morgen alle plötzlich elektrisch fahren, wäre das Ergebnis eine Netzbelastung, die wir nicht stemmen könnten.» Doch die Wachstumskurve der Elektromobilität am Gesamtfahrzeugbestand ist langsam. Roger Kunz schätzt, dass es noch mindestens 15 Jahre dauert, bis der wesentliche Anteil des Motorfahrzeugbestands elektrisch ist. «Wir haben genügend Zeit, das Stromnetz darauf vorzubereiten», sagt er. Krispin Romang stimmt ihm zu. «E-Autos sind viel energieeffizienter als Verbrenner. Wir sparen mit dem Umstieg massiv Energie und haben den Vorteil, dass wir diese selber produzieren können. Dafür braucht es aber intelligente Netze.» Die Herausforderung liege nicht in der Strommenge, sondern in der Stromverteilung. «An privaten Ladestationen wird langsam geladen. So wird das Netz deutlich weniger belastet, als wenn alle öffentlich laden müssten.»
Viel Spass, viel Komfort
Alles in allem scheint die Elektromobilität also doch nicht ins Stocken geraten zu sein, sondern befindet sich in einer Konsolidierungsphase. Roger Kunz: «Das Wachstum wird wieder anziehen, denn die derzeitigen Herausforderungen sind lösbar. Zudem ist die grundlegende Akzeptanz von E-Autos in der Bevölkerung hoch.» Das ergab auch die Axa-Umfrage. Demnach schätzen Personen, die schon einmal am Steuer eines Stromers sassen – und sei es auch nur aus Neugierde – sowohl den Fahrspass als auch den Fahrkomfort als hoch ein. Und immerhin ist es ein Stromer, der nicht nur letztes Jahr (siehe Kasten), sondern auch schon 2022 und 2023 am häufigsten neu gekauft wurde.