Barren aus der neuen Rotguss-Legierung werden in den Schmelzofen eingebracht. Mit der Schmelze kann anschliessend der Vergiessofen nachgefüllt werden. (Bilder: zVg)
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Auf in die neue Bronzezeit
Die Gusstechnik hat sich über viele hundert Jahre hinweg nur wenig verändert. Dank ausdauernder Forschung und Entwicklung gelang es Nussbaum, eine bleifreie Rotgusslegierung der Bronze-Gattung zu schaffen. Eine Innovation, die der Trinkwasserhygiene ebenso förderlich ist wie der Nachhaltigkeit.
Das Giessen von Metall hat sich im Lauf vieler hundert Jahre nur wenig verändert. Um eine Bronzelegierung oder Rotguss zu erhalten, wird Kupfer mit anderen Metallen legiert. In dieser Rotguss-Legierung gewährleistet Blei einerseits die Dichtigkeit, weil es die Kapillaren im Gussstück schliesst. Andererseits ermöglicht es die Spanbrechung bei der Bearbeitung der gegossenen Stücke. Die heute üblichen Rotguss-Legierungen unterscheiden sich deshalb nicht gross von Bronzen, die vor 200, 500 oder gar 1000 Jahren verwendet wurden.
Vollständig bleifrei
Wegen der potentiellen Belastungen für Mensch und Umwelt wurden die Bleigrenzwerte für das Trinkwasser sukzessive verschärft. Lag die EU-Vorgabe in den 1970er Jahren noch bei maximal 40 µg Blei pro Liter, soll sie in Kürze auf 5 µg pro Liter gesenkt werden. Dieser neue Grenzwert wird voraussichtlich auch von der Schweizer Gesetzgebung im «autonomen Nachvollzug» übernommen. Der aktuelle Schweizer Grenzwert von 10 µg pro Liter würde damit ebenfalls sinken. Mit der neuen Nussbaum-Rotgusslegierung, die vollständig bleifrei ist, kann die Trinkwasserhygiene nun noch weiter optimiert werden. Zudem muss bei bleifreien Installationen bei der nächsten Verschärfung der Grenzwerte keine Nachrüstung erfolgen. Die Herstellung von Rotguss-Objekten kann zudem sehr hohe Recycling-Raten vorweisen. So entfallen bis zu 80 Prozent des benötigten Kupfers auf rezykliertes Altkupfer statt Neumetall – auch das ist Nachhaltigkeit.
Neue, vollständig bleifreie Legierung
Hinter der neuen, bleifreien Bronzezeit steht eine beträchtliche Arbeit. Bereits zu Beginn der 2000er Jahre begann Nussbaum die notwendigen Arbeiten. «Der Trend zum bleifreien Trinkwasser war klar. Damit wir weiterhin hochwertige Rotguss-Komponenten aus Schweizer Herstellung anbieten können, mussten wir eine neue, vollständig bleifreie Legierung entwickeln», sagt Patrik Zeiter, Leiter Grundlagen, Werkstoffe und Schutzrechte bei Nussbaum. Die Herausforderungen bei diesem Projekt waren gross und zahlreich. Es fehlte nicht nur an der entsprechenden Forschung, sondern auch an den Werkzeugen dafür. Deshalb beteiligte sich Nussbaum an der Entwicklung einer modernen Simulationssoftware. Damit konnte das Verhalten der Legierung während des Giessens simuliert und damit der neue Gussprozess entwickelt werden.
20 Jahre intensiver Arbeit
Kaum war dies gelungen, zeigte sich das nächste Problem. Verglichen mit den «weichen» bleihaltigen Legierungen war das neue Material härter und verschliss die bisherigen Bearbeitungswerkzeuge innerhalb von Minuten. Mehrere Jahre intensiver Arbeit waren nötig, bis die Bearbeitung der Werkstücke aus dem neuen Material wieder auf dem gewohnten hohen Niveau möglich war. «Wir glaubten, am Ziel zu sein, hatten aber noch die letzte Hürde vor uns», betont Zeiter. Denn um das reibungslose Funktionieren aller Komponenten zu gewährleisten, mussten nun auch noch neue Schmierstoffe gefunden respektive entwickelt werden.
Das Überwinden des bleihaltigen Rotgusses dauerte von den ersten Abklärungen bis zur Serienproduktion rund 20 Jahre. Ein enormer Aufwand, der sich gelohnt hat. Denn mit der neuen Legierung habe man einen soliden Grundstein für die nächsten Jahrzehnte gelegt, meint Andreas Nussbaum, Leiter Produktion bei Nussbaum: «Wir sind für die Zukunft gerüstet – und zwar unabhängig davon, ob der künftige Schweizer Bleigrenzwert bei 5, 3 oder 2 µg pro Liter liegt.»
Nachhaltigkeit im Fokus
Ebenso lege man grossen Wert auf nachhaltige, innovative Systeme, so Zeiter, die über das gesetzlich Verlangte hinausgingen und damit zukunftstauglich seien: «Das ist für uns zentral, denn wir glauben an den Werkplatz Schweiz und wollen in unserer Giesserei in Trimbach weiterhin gute Arbeitsplätze bieten.»