Kommunikation

28.07.2025
Rüdiger R. Sellin

Neue Geschäftsmodelle für IoT

Zum nunmehr siebten Mal fand die diesjährige IoT-Konferenz des asut statt. In der Trafo-Halle Baden folgten etwa 250 Teilnehmer den Vorträgen von 21 Referenten aus Industrie, Forschung und Entwicklung. Präsentiert wurde ein attraktiver Mix aus innovativen Technologien, Anwendungsberichten und Trends.

Der Begriff «Internet der Dinge» (Internet of Things, kurz IoT) geht bereits auf die Jahrtausendwende zurück. Erst vor rund zehn Jahren startete dann eine dynamische Entwicklung, die zunächst von Start-ups geprägt war und schnell voranschritt. Zwei Provider versuchten, sich diesem Thema anzunehmen – mit überschaubarem Erfolg. Wie die Liste der Firmen und Forschungseinrichtungen an der diesjährigen IoT-Konferenz jedoch beweist, scheint sich IoT in der ICT-Welt etabliert zu haben. Im Fokus stehen dabei IoT-Lösungen mit klarem Mehrwert für Anwender und Provider. Auch die beiden besagten Provider waren vor Ort und präsentierten ihre höchst unterschiedlichen Ansätze.

 

Innovationen und Resilienz

Nach der Begrüssung durch den Badener Stadtammann Markus Schneider stimmte die asut-Präsidentin Judith Bellaiche auf spannende IoT-Anwendungen und -Geschäftsmodelle ein. Diese bildeten den Schwerpunkt der Veranstaltung und sorgten mit hohem Praxisbezug für Abwechslung. Dabei spielt IoT aber auch die Rolle eines Problemlösers, sagte im Anschluss Patrik A. Meier von der Bühler Group. Mit deren Maschinen werden weltweit Lebens- und Genussmittel wie z. B. Getreide- und Schokoladenprodukte hergestellt. Bühler führt rund 1300 Produkte im Portfolio und nutzt zunehmend digitale Lösungen, um globale Herausforderungen der Ernährungssicherheit zu bewältigen. Dabei stehen nur 11 % der Weltoberfläche zur landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung, wo ¼ aller CO2-Emissionen entstehen. Bühler trägt durch Abfallvermeidung sowie Wasser- und Energiesparmassnahmen aktiv zu deren Reduktion bei, indem sie Maschinen und Wartungsprozesse mithilfe von IoT optimiert.

 

Neue Geschäftsmodelle

Bei Zühlke Engineering spürt man die schwierige wirtschaftliche Lage in der deutschen Autoindustrie. Das Geschäft laufe zwar weiter, aber im reduzierten Umfang. Dabei helfe IoT, Prozesse und Maschinen weiter zu optimieren, und hat einen deutlich reiferen Charakter als früher. Schon um das Jahr 2000 erstellte Zühlke einen ersten IoT-Service für die Firma Liebherr, welcher teure Baukräne lokalisierte, besser vor Diebstahl schützte und deren Auslastung optimierte. Aktuell gelang es Zühlke, bei einem Getriebehersteller dank IoT Produktionsfehler aufzuspüren und damit beim Autohersteller teure und imageschädigende Rückrufe zu vermeiden. Auch aus Sicht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) dient IoT der Verbesserung und Stabilisierung von Produkten und Prozessen.

Wie man den Betrieb von Haushaltsgeräten mit IoT-Technologien effizienter und umweltfreundlicher gestaltet, beleuchtete Wolfgang Schroeder (V-ZUG). Im Zentrum stehen die Wiederverwertbarkeit von Metallen und Kunststoffen sowie die CO2-Reduktion im Lebenszyklus. In der Gastronomie sind neuere Geräte bereits vernetzt, weil deren Ausfall Umsatzeinbussen verursacht. Im Segment für Privatkunden liegt der Fokus eher auf tiefen Kosten und Reduktion des Stromverbrauchs. Beim Geschäftsmodell «Haushaltsgeräte as a Service» für Vermieter bleiben die Haushaltsgeräte als Teil des Mietvertrags im Besitz von V-Zug, die während 10 – 12 Jahren für Wartung und Unterhalt sorgt. Dank «Predictive Maintenance» erkennt V-Zug den laufenden Wartungsbedarf aller Geräte einer Überbauung und kann teure Kundenbesuche besser planen. Die Wohnungsmieter melden Fehlfunktionen direkt an V-Zug. Zudem können sie kostenpflichtige Zusatzdienste dazubuchen und via App steuern.

 

Neue Technologien und Cybersecurity

In einer Pitch-Session gingen fünf Fachexperten noch detaillierter auf Geschäftsmodelle ein, am Nachmittag gefolgt von einem Themenblock und einer weiteren Pitch-Session zu Technologien. Ob mit Sensoren ausgerüstete Drohnen, Sensoren an Stromzählern oder Maschinen für kurze Abfragen oder die Verwaltung medizinischer Geräte in Haushalten zur Erfassung von Telemedizin-Daten via Mobilfunk – die Vielfalt ist sehr gross. Leider behindern Inkompatibilitäten die reibungslose Verständigung, weshalb sich ABB und Samsung im B2C-Bereich für Standards wie «Matter» und offene Ökosysteme einsetzen, was neue Potentiale für die Industrie eröffnet.

Ob Swisscom oder Nokia: Das Internet der Dinge erobert den Luftraum. Mit Sensoren ausgestattete Drohnen interagieren mit Türsensoren, Videokameras oder Tracking-Sensoren und eröffnen neue Möglichkeiten für automatisierte Geschäftsprozesse oder Inspektionstätigkeiten. Polycom ist das flächendeckende Funksicherheitsnetz der Behörden und Organisationen für Rettung und Sicherheit (BORS), wo Drohnen die physische Sicherheit und das Effizienzniveau verbessern können.

 

Themenblock Technologie

Geschlossene, proprietäre Systeme binden seit Jahrzehnten die Kunden an einen Hersteller, während offene Systeme grosse Potentiale für die Industrie bieten. Das offene System Matter und andere offene Ökosysteme verfolgen den Ansatz, offene Lösungen einzusetzen. Samsung kann alle hauseigenen Devices steuern und hat ihr eigenes System nun für andere Hersteller geöffnet. In Zusammenarbeit mit ABB soll diese B2C-Technologie künftig als Basis für eine smarte Gebäudeautomation dienen. In intelligenten Häusern soll man damit alle Hausgeräte steuern können. Auch für Hotels könnte die Partnerschaft zwischen ABB und Samsung Früchte tragen. Leider wurde Samsung-Konkurrent mit keiner Silbe erwähnt und so fragt man sich, wie Benutzer mit iOS statt Android Zugang erhalten.

Armin Ribis (Eraneos) sprach über das Geschäft mit Datenprodukten und Künstliche Intelligenz (KI). Hier hoffen viele Unternehmen, dass Daten neue Geschäftsmodelle ermöglichen und dadurch Wettbewerbsvorteile entstehen. Laut Ribis ist der grosse KI-Hype bereits wieder abgeebbt, was auch an Problemen bei der Findung umsatzträchtiger Use Cases liegt. Zudem werden 50 % aller KI-Projekte bereits vor der Realisierung gestoppt, was u. a. an den zu hohen Erwartungen liegt, etwa am erwarteten Umsatz oder am nicht erfüllten Einsparpotential. Ribis bemerkte, dass die Umsätze mit Daten-Produkten bei den Kunden unter den Erwartungen lägen und die IoT-Adaption herausfordernd sei. Zudem erschweren nur wenige digital angelegte Mindsets bei den Mitarbeitenden sowie europäische Datenschutzgesetze den Zugang zu den benötigten Daten, was in China beides gänzlich anders sei.

 

Smarte Prozesse …

Dank «Ambient IoT» entstehen völlig neue Segmente und Business-Szenarien. Dabei handelt es sich um eine neue Generation der Mobilkommunikation, die sich durch Energienutzung weitgehend autark versorgt. Voraussetzung ist eine breit verfügbare Vernetzung auf Basis von 5G Advanced (Standard ab 2026 verfügbar) und eine Energierückgewinnung aus der Umgebung. Alexander Lehrmann, Innovation & Development bei Sunrise, berichtete, wie Inventar, Lagerbestände und Logistikprozesse, aber auch Alltagsgegenstände oder Wearables kostengünstig und mit geringem Aufwand vernetzt und intelligent gemacht werden. Hier entsteht ein Massenmarkt, der schon oft angekündigt wurde und nun Realität werden könnte.

 

… und smarte Gebäude

Gemäss Chris Bochsler (Cando) gewinnt die Gebäudeautomation spür- und messbar durch IoT, ob beim Laden des Elektroautos oder beim Heizen des Gebäudes mit Sonnenenergie. Dabei hilft KI, die richtigen Entscheidungen durch Verbrauchs- und Wetterprognosen zu treffen.

Auch Felix Bünning (viboo) argumentierte in eine ähnliche Richtung. Viboo bietet eine Cloud-Plattform, welche das thermische Verhalten eines Gebäudes innerhalb von ein bis zwei Wochen anlernt. Mithilfe von smarten Thermostaten und KI wird die Temperaturentwicklung eines Gebäudes für die nächsten Stunden vorhergesagt und der Energieverbrauch optimiert. Auch hier werden Faktoren wie die Wettervorhersage und Vorlieben der Bewohner berücksichtigt, was bis zu 40 % Energie einspart.

Chiara Koopmans (Truvami) und Niklas Meindl (Holcim) berichteten, wie Holcim Beton digitalisiert und durch neue Tracking-Technologien die Transparenz und Effizienz der Logistik revolutioniert. Dabei habe man nur 90 Minuten Zeit, um den Beton ab Produktion «just-in-time» auf der Baustelle einzubauen, berichtete Meindl. Eine exakte Datenerfassung führe dabei zu nahtloseren Abläufen, automatisierten Abrechnungen und tieferen Kosten.

 

Daten statt Bauchgefühl im Profi-Eishockey

Eishockey basierte (vielleicht zu) lange auf Domain-Expertise, doch datenbasierte Entscheidungen verändern den Sport, sagte die Eishockeylegende Andreas Hänni (49ing). KI und Advanced Analytics revolutionieren dabei die Spielerentwicklung, die Spielstrategie und das Fan-Engagement. Hänni spricht aus eigener Erfahrung, war er doch bis 2014 aktiver Eishockeyspieler. Seine Firma 49ing sammelt aus jedem Match zwischen 5000 und 6000 Daten, erfasst sämtliche Aktionen der Spieler, analysiert die Daten, kreiert Modelle und berechnet Wahrscheinlichkeiten. Das Potential datenbasierter Anwendungen ist entscheidend, um im stark umkämpften Markt zu bestehen, resümierte Hänni. Denn die Software verbessere nicht nur das Spiel der eigenen Mannschaft, sondern helfe auch, das Potential neuer Spieler zu erkennen.

 

Fazit

«Totgesagte leben länger», so eine Redensart. Ein Referent wunderte sich, warum es diese IoT-Konferenz immer noch gebe. Denn eigentlich sei IoT «kein Thema mehr» und selbstverständlich geworden, was andere Referenten im Grundsatz bestätigten. Eine andere Stimme meinte gar, dass der KI-Hype bereits wieder abebbe, was aber klar verneint werden muss. Denn hier stehen wir erst am Anfang einer fast beängstigend mächtigen Entwicklung, die vor allem von China vorangetrieben wird, wo Datenschutz ein Fremdwort ist und dauernde Überwachung normal zu sein scheint, sodass auch die Auswertung und Verarbeitung der gesammelten Daten niemanden zu stören scheint. Aus dieser Sicht ist auch IoT ein ganz selbstverständliches Fachgebiet, das ungehindert entwickelt und genutzt wird.

Auf Europa oder die Schweiz bezogen hindere der intensiv betriebene Datenschutz oftmals die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen, sagten diverse Firmenvertreter. Als Beispiel wurde mehrfach die Automobilindustrie genannt, die streng geheim agiere und nur ungern IoT in ihre Produktionshallen lasse. Anbieter haben es dort schwer, die Hersteller und deren Zulieferer vom IoT-Nutzen zu überzeugen. Ähnliches berichtete auf einem Stand ein Hersteller von IoT-Sensoren u. a. für die Bahninfrastruktur, die absolut «wasserdicht», also manipulationssicher sein müsste, um den Weg ins Schienennetz oder in Fahrzeuge zu finden.

Vielleicht schafft es die Schweiz ja wie so oft, bei IoT einen praxisnahen Mittelweg zum Nutzen von Staat, Volk und Wirtschaft zu finden. 


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