Das Aufständerungssystem «Contec.greenlight on top» wurde speziell für die Nachrüstung von Solaranlagen auf bestehenden Gründächern entwickelt. (Bilder: Daniela Hochradl, Contec, SFG)
Daniela Hochradl / PW
Synergien: Gründächer und Solarenergie
Anlässlich eines SFG-Pressegesprächs in Uetendorf BE stellten Christoph Harlacher von der ZinCo AG und Heinz Sigrist von der Contec AG Konzepte zur Nutzung von Flachdächern vor. Besonderes Augenmerk lag auf dem effektiven Umgang mit Regenwasser und der gelungenen Kombination von Gründach und Solaranlagen.
Die Erstellung eines Gründachs erfordert grundsätzlich interdisziplinäre Zusammenarbeit:
- Architekten und Landschaftsarchitekten entwerfen und planen das Gründachprojekt unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, der architektonischen Anforderungen und der gewünschten ästhetischen Ziele.
- Bauingenieure stellen sicher, dass das Gebäude die zusätzliche Last des Gründachs tragen kann und alle bautechnischen Anforderungen erfüllt werden.
- Dachdecker und Spengler sind verantwortlich für die fachgerechte Dachabdichtung, Entwässerungssysteme und die Anpassung von Dachdetails für das Gründach. Zudem spielen Spengler eine wichtige Rolle bei der Integration von Solaranlagen.
- Landschaftsgärtner kümmern sich um die Auswahl der richtigen Pflanzen und des Substrats sowie um geeignete Bewässerungssysteme.
- Umweltberater und Ökologen stellen sicher, dass das Projekt die Umweltbilanz verbessert und zur Biodiversität beiträgt.
Die Zusammenarbeit dieser Berufsgruppen ist entscheidend für den Erfolg eines Gründachprojekts oder die Schaffung eines Dachgartens.
Verschiedene Varianten des Gründachs
Funktion und Ästhetik eines Gründachs sind von der Wahl der richtigen Begrünungsart abhängig. Extensivbegrünungen sind ideal für Dächer, die natürlichen, ungenutzten Flächen ähneln sollen. Hierbei werden standortangepasste Pflanzen verwendet, die sich selbst erhalten und bei geringem Pflegeaufwand weiterentwickeln. Diese Dächer benötigen nur selten Wartung und Pflege, da sie den natürlichen Vegetationszyklen unterliegen. Intensive Dachbegrünungen beginnen ab einer Gesamtaufbauhöhe von zwanzig Zentimetern und haben ein höheres Gewicht. Je nach Aufbauhöhe kann eine Vielzahl von Pflanzen, darunter Kräuter, Stauden, Sträucher und Bäume, eingesetzt werden. Bäume brauchen mindestens 80 Zentimeter Substrathöhe und müssen gegen Windlasten gesichert werden. Eine intensive Dachbegrünung kann alle Funktionen eines Gartens übernehmen und beispielsweise zur Erholung, Sport und dem Anbau von Gemüse genutzt werden. Diese Dächer erfordern häufig automatische Bewässerungssysteme und regelmässige Pflege, um ihr volles Potential zu entfalten.
Biodiversitätsgründächer
fördern die Artenvielfalt von Flora und Fauna durch eine erhöhte Struktur- und Pflanzenvielfalt. Sie kombinieren Elemente aus der extensiven und intensiven Begrünung und integrieren zusätzliche Bausteine wie Totholz, Nisthilfen und Wasserflächen, um Lebensräume für verschiedene Tier- und Pflanzenarten zu schaffen.
Nutzen eines Gründachs
Ein funktionierendes Gründach bietet viele Vorteile, die sich auf verschiedene Bereiche auswirken:
- Mikroklima und Luftqualität: Pflanzen auf dem Dach wirken wie natürliche Klimaanlagen und regulieren die Temperatur. Durch die grosse Blattoberfläche und die Abbremsung des Luftstroms filtern Dachbegrünungen Staub aus der Luft heraus. Auch Nitrate oder andere in Luft und Niederschlägen enthaltene Stoffe werden festgehalten und verwertet.
- Energie und Schallschutz: Eine Dachbegrünung trägt dazu bei, den Energieverbrauch (v. a. Kühlung im Sommer) zu senken und verbessert die Schalldämmung eines Daches um bis zu 8 dB.
- Wasser: Auf dem begrünten Flachdach besteht auch die Möglichkeit zur Rückhaltung und Nutzung von Regenwasser. Rohrleitungen und Kanäle können kleiner dimensioniert und Entwässerungsgebühren eventuell gesenkt werden. Dadurch wird die Überschwemmungsgefahr gemindert und die Kanalisation entlastet.
- Ökologie: Dachbegrünungen können die im Zuge von Baumassnahmen verlorengegangenen Grünflächen zu einem erheblichen Teil kompensieren.
- Ökonomie: Die langfristigen ökonomischen Vorteile von Gründächern, einschliesslich Energieeinsparungen und erhöhter Gebäudewert, überwiegen die anfänglichen Investitionskosten.
Die Kombination verschiedener Begrünungsarten auf einem Dach kann die Vorteile weiter maximieren und zu einer nachhaltigeren städtischen Umwelt beitragen.
EnergieGründach: Synergien nutzen
Sorgfältig geplant und korrekt umgesetzt, ergänzen sich das Gründach und PV-Anlagen. Dabei gilt es, einige Faktoren zu beachten, wie beispielsweise die Überprüfung der Statik, die Pflanzen- und Substratauswahl sowie die Sicherstellung von Pflege und Unterhalt. Vorteilhaft ist, wenn das Substrat als Auflast für die Aufständerung dient. Die Unterkonstruktion sollte als Teil der Begrünung geplant werden. Um Synergien beim Einbau des Systems zu nutzen, ist die Absprache zwischen Dachdecker und Solarteur sehr wichtig. Dabei muss vor allem der Unterschied von extensiver und intensiver Begrünung und Randbedingungen bezüglich Höhe und Anordnung der Aufständerung beachtet werden, um verwachsene Solaranlagen zu vermeiden. Zu beachten ist vor allem, dass die Aufständerungssysteme genügend hoch (30 Zentimeter) und nicht in A-, sondern in V-Form («Schmetterlingsaufstellung») ausgeführt werden.
Die niedrigeren Temperaturen auf begrünten Dächern sorgen für einen höheren Wirkungsgrad der PV-Module. In verschiedenen Studien wurden um die 0,5 bis 6 Prozent Ertragssteigerung beobachtet. Evaluiert man die Auswahl der Pflanzen zur Begru?nung, ko?nnte der spezifische Ertrag weiter erho?ht werden.
Die Kombination mit Solaranlagen schafft für die Pflanzen neue Standortbedingungen: Stark beschattete, kühle Stellen wechseln sich mit heissen und trockenen ab. Dies führt zu einer Erhöhung der Vielfalt an Lebensräumen und somit auch zur Erhöhung der Artenvielfalt.
PV ohne Bewilligungsverfahren
Auf Bundesebene setzen das Raumplanungsgesetzes (RPG) und die Raumplanungsverordnung (RPV) seit 2022 ein deutliches Signal für die verstärkte Nutzung der Sonnenenergie. Diese Bestimmung regelt, welche Solaranlagen ohne Baubewilligung montiert werden dürfen. Auf Flachdächern ist dies der Fall, wenn die Solaranlage die Oberkante des Dachrandes um höchstens einen Meter überragt, von der Dachkante so weit zurückversetzt ist, dass sie, von unten in einem Winkel von 45 Grad betrachtet, nicht sichtbar ist und wenn sie reflexionsarm ausgeführt ist. Aufgrund dieser Vereinfachung für die Erstellung von Solaranlagen kam es jedoch zu dem unerwünschten Effekt, dass viele Gründächer, die saniert werden mussten, «abgeräumt» und durch Kies ersetzt wurden. Dem wollen der SFG und die Gründach-Industrie entgegenwirken. In diesem Zusammenhang wurden spezielle Aufständerungssysteme für bestehende Gründächer entwickelt. Seit 2023 ist beispielsweise das System «Contec.greenlight on top» verfügbar (Bild 2a und 2b).
Aufständerungsarten
Verschiedene Aufständerungsarten ermöglichen eine optimale Nutzung der Dachfläche und minimieren den Pflegeaufwand. Gut mit der Dachbegrünung kombinieren lassen sich Module in der «Schmetterlingsaufstellung» (aufgeständerte Ost-West- orientierte Anlagen) sowie auch senkrecht aufgestellte, bifaziale Module. Senkrechte Solarpanels fangen vor allem die Morgen- und Abendsonne ein. Ab August bis April produzieren bifaziale Module mehr Strom und zudem behindert im Winter der Schnee die Stromproduktion nicht, sondern fo?rdert sogar zusa?tzlich den Energieertrag.
Wassermanagement und Normen für Gründächer
Behördliche Anforderungen an Gründächer stehen oft im Zusammenhang mit dem Wassermanagement, nicht nur mit der Biodiversität. Die Norm SIA 271 fordert üblicherweise ein Gefälle von mindestens 1,5 % für alle Dächer, während ein Retentionsdach ohne Gefälle ausgeführt wird. Dies erfordert besondere Massnahmen in Bezug auf Dichtheit, Statik und Begrünungsaufbau. Die Norm SIA 312 «Begrünung von Dächern» befindet sich in Überarbeitung und soll im Frühling 2024 in die Vernehmlassung kommen. Harlacher regte dazu an, die Retention und den Wasserrückhalt auf dem Flachdach separat zu betrachten. Beim Retentionsdach wird Niederschlagswasser temporärer zurückgehalten und anschliessend gedrosselt in einen öffentlichen Kanal abgeleitet oder auf dem Grundstück versickert. So werden Spitzenlasten im Kanalsystem und damit lokale Überschwemmungen vermieden.
Beim Thema «Wasserrückhalt auf dem Dach» geht es – im Gegensatz dazu – darum, das Wasser nicht in die Kanalisation abzulassen, sondern es für die Pflanzen zu nutzen und natürlich verdunsten zu lassen.
Wasserrückhalt auf dem Dach
Christoph Harlacher von der ZinCo AG erläuterte, dass in der Schweiz jährlich ca. drei bis fünf Millionen Quadratmeter Flachdach neu gebaut oder saniert werden (zum Vergleich: in Deutschland sind es etwa 80 – 90 Millionen). Dort besteht ein riesiges Potential – vor allem beim Thema Wasser oder genauer gesagt beim Wasserrückhalt auf dem Dach. Grundbedürfnis ist die Abdichtung, doch die Möglichkeit, das Dach auch für andere Bereiche zu nutzen, ist gegeben. «Grün ist nett, Strom brauchen wir, aber zu viel Wasser macht Angst», fasste Harlacher zusammen.
Durch die intelligente Schichtenkombination besteht die Möglichkeit, Wasser auf dem Dach zurückzuhalten und zu verdunsten und nur den Überschuss langsam abzuleiten. Durch spezielle Drän- und Speicherschichten wird ein Wasserspeicher geschaffen, der den Pflanzen auf dem Dach automatisch – ohne Motor – zur Verfügung steht. Der Fachbegriff dafür lautet «Evapotranspiration» und bezeichnet die Summe von Evaporation und Transpiration. Der Aufbau in Bild 3 zeigt eine Kombination von Wasserrückhalt für die Evapotranspiration mit Anstau unter der Substratschicht und Retentionsdrossel.
Aufgrund des Kühleffekts ist dies vor allem für städtische Gebiete und Industrien interessant. Messungen der ZinCo AG über vier Jahre zeigen, dass durchschnittlich 75 Prozent des Regenwassers wieder verdunstet werden können.
Beispiel für ein Energie-Evapotranspirations-Gründach
Es gibt noch nicht so viele Dächer, die alle drei Nutzungen vereinen. Eines davon ist das 1000-Quadratmeter-Dach der «alten Druckerei» in Mattenbach (Winterthur), das 2021 erstellt wurde. Es verfügt über den oben beschriebenen Aufbau, der eine hohe Speicherfähigkeit besitzt. Verdorrte Bepflanzungen können so vermieden werden. Die PV-Anlage (93 kWp) ist eine Kombination aus Ost-West- und Vertikal-Aufständerung. Das Projekt wird bezüglich Stromausbeute und Ökologie von der ZHAW begleitet. Ein Zwischenbericht von Ende 2023 zeigt, dass bei diesem Dach auch im Extremsommer 2022 keine Bewa?sserung nötig war.
Evapotranspiration
Evaporation ist die Verdunstung von unbewachsenen Oberflächen (Wasseroberflächen oder vegetationslose Oberflächen). Transpiration meint in der Botanik die Abgabe von Wasserdampf durch die Spaltöffnungen von Pflanzen. «Evapotranspiration» bezeichnet die Summe von Evaporation und Transpiration.
«Dachbegrünung und Solaranlagen»
Der Ratgeber «Dachbegrünung und Solaranlagen» behandelt die wichtigsten Aspekte der Planung und Installation von Solaranlagen auf begrünten Dächern. Das Dokument enthält viele Links zu Normen und Merkblättern, um die häufigsten Fragen zu beantworten. Es wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen Verbänden erstellt, darunter Gebäudehülle Schweiz, Holzbau Schweiz, JardinSuisse, Schweizerische Fachvereinigung Gebäudebegrünung, suissetec und Swissolar. (PDF ist zu finden z. B. unter swissolar.ch/de/wissen/fachwissen)
SFG
Die Schweizerische Fachvereinigung Gebäudebegrünung (SFG) setzt sich für die Entwicklung einer grünen Stadt der Zukunft ein. Mit 27 Jahren Erfahrung und rund 120 Mitgliedern aus verschiedenen Fachbereichen fördert die SFG Begrünung von Dächern, Fassaden und Innenräumen. Dabei publiziert sie Empfehlungen, indiziert Normen und trägt zur Entwicklung von Regelwerken bei. Schweizerische Fachvereinigung Gebäudebegrünung Tel. 033 223 37 57 info@sfg-gruen.ch, sfg-gruen.ch
Die ZinCo AG
ist seit 1987 auf Gebäudebegrünung spezialisiert und seit etwa 2008 im Bereich EnergieGründach tätig. Sie bietet verschiedene Arten der Begrünung an, darunter Extensiv-, Intensiv- und Biodiversitätsgründächer sowie Retentionsdächer. ZinCo ist führend in der Entwicklung von systemintegrierten, dachdurchdringungsfreien Absturzsicherungen sowie der Integration der Solarnutzung in den Dachbegrünungsaufbau.
Die Contec AG
wurde 1992 gegründet. Heute mit 50 Mitarbeitern stellt sie die Verbindung zwischen Gründächern und Photovoltaikanlagen her. Durch die Kombination beider Technologien entstehen Synergien, die die Leistungsfähigkeit der Solaranlagen verbessern und gleichzeitig die Dachabdichtung schützen.
ElektroForm solar
Swissolar hat mit Unterstützung von EnergieSchweiz die Web-App «ElektroForm solar» entwickelt. Diese erlaubt es Installationsbetrieben, die verschiedenen Bewilligungsverfahren für Photovoltaikanlagen über ein einheitliches Tool abzuwickeln und damit den bürokratischen Aufwand zu reduzieren. In der App sind alle wichtigen Formulare für Gemeinden, Netzbetreiber und die Förderstelle Pronovo sowie Informationen zu den Anlagenkomponenten hinterlegt.